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24.05.2017

Die Hochwacht auf der Bernegg

Geschichte & Geschichten

Heute erinnern nur noch der Name Hochwachtstrasse und die gleichnamige Bushaltestelle daran, dass in unserem Quartier einst eine der wichtigsten Hochwachten der Stadt St. Gallen stand. Ernst Ziegler ist der Geschichte der Hochwacht auf der Bernegg nachgegangen und berichtet über die Bedeutung dieser Alarmierungs- und Nachrichtenübermittlungsmethode im Zeitalter vor der Erfindung des Telefons und der modernen elektronischen Medien.

Von Ernst Ziegler
Als «Hochwachten» bezeichnete man erhöhte, aussichtsreiche Punkte, auf denen in früheren Zeiten sich «Merk- und Loszeichen zur Alarmierung des Landes» befanden. Sie gehörten zu den Massnahmen der eidgenössischen Stände und Orte zur Sicherung ihres Gebietes in gefahrvollen Zeiten und waren über die ganze Eidgenossenschaft verteilt.

Feuer, Rauch, Lärm
Auf den Hochwachten lag in der Regel grünes und dürres Holz; weiter gehörten zu einer Hochwacht Pechpfannen für Feuer- und Rauchzeichen, Mörser für Lärmzeichen und eine Scheibe, «die Kerben in der Richtung nach den korrespondierenden Hochwachten enthielt». Meistens stand auf der Hochwacht auch noch eine Hütte für die Wachtmannschaft und die erwähnte Scheibe.

Bei gespannten Verhältnissen, einer Kriegserklärung oder einem feindlichen Einfall wurden die Hochwachten besetzt und dann erging der Landsturm, d.h. das Land wurde alarmiert. Zur Alarmierung wurde bei Tag rauchendes grünes, in der Nacht hell brennendes Holz angezündet; bei Nebel schoss man mit den Mörsern.

Die letzten grossen Alarmierungen: 1743 und 1798
Die Hochwachten spielten, wie gesagt, bei Kriegsgefahr eine wichtige Rolle, beispielsweise 1743 während des Österreichischen Erbfolgekrieges (1740-1748), als Frankreich mit dem deutschen Reiche abermal in einen Krieg gerathen war und um Basel herum sich viel fremdes Volk versammelt hatte». Damals sandte auch die Stadt St. Gallen wieder ihr Kontingent zur eidgenössischen Grenzbewachung an den Rhein, und die allfällige Aufstellung der Hochwachten wurde dem Kriegsrat überlassen. Anfang Oktober 1743 wurde zudem im Kloster nachgeforscht, ob man die vom eidgenössischen Defensionale «wegen Feuerzeichen» vorgeschriebenen Anstalten gemacht hätte. Vor dem Kriegs- und Grossen Rat sollte sodann alles notwendige veranstaltet und schliesslich nach Zürich gemeldet werden.

Langwierige und umständliche Veranstaltungen wurden 1798 bei der Organisierung des Landsturms notwendig. Am 6. März wurde z.B. beschlossen, die städtischen Hochwachten, durch die eigentlich die Signale zum Volks-Aufbruch zu geben seien, wären dann aufzustellen, wenn die in der Nachbarschaft angeordnet seien. Man hielt es aber für zwecklos, die Bestellung dieser Hochwacht, wie es vor Zeiten geschehen war, durch die ganze Bürgerschaft gehen zu lassen. Besser und angemessener schien es, nur drei Männer nebst einem Korporal beständig dahin abzuordnen, die dann aber sehr gut in der Sache unterrichtet sein müssten.

Das Wachthäuslein auf der Bernegg
Die Hochwacht auf der Bernegg mit der dazu gehörigen Hütte ist eingezeichnet auf dem Grenzatlas der Alten Landschaft der Fürstabtei St. Gallen, der um etwa 1730 entstanden ist und im Stiftsarchiv aufbewahrt wird. Das «Wachthäuslein» auf der Bernegg wurde 1633 neu «gemacht und aufgesetzt», worüber sogar Josua Kessler in seiner «Chronologie Sanktgallischer Begebenheiten» (1540-1645) berichtet.

Vor dem ersten Villmergerkrieg beschloss der Rat 1655, das Wachthäuslein auf St. Wendelinsbild in Stand zu stellen, die zur Hochwacht notwendigen Einrichtungen zu veranlassen und dort oben einen Holzvorrat anzulegen. Dieses Wachthaus, das sogenannte «Scheibenerhüttlein » auf «Wendelinsbild», auf der Bernegg hoch über St. Gallen, stand noch um 1700 dort oben. Daneben  erhob sich ein etwa zehn Meter hoher Baumstamm, «der mit Leitersprossen versehen war und an seiner Spitze einen Arm trug mit einer Pfanne für das Pech, das zu den Feuer- und Rauchsignalen gebraucht wurde». Von dieser Hochwacht aus konnten mit anderen Hochwachten Zeichen gewechselt werden.

War es Brandstiftung?
Als im Mai 1703 das Wachthäuslein abbrannte, schliefen die beiden Nachtwächter auf dem St. Laurenzen- und dem St. Mangen-Kirchturm offenbar den Schlaf der Gerechten, denn sie hatten «die Abbrennung» nicht beobachtet. Die beiden Turmwächter, der Schneider Christof Reutin und der Schuster Martin Werder, wurden zur Rede gestellt, auf ihre «schlechte Verantwortung» in Gefangenschaft gelegt und zugleich aus dem Dienst entlassen. Die Obrigkeit liess sie am 24. Mai wieder frei und wählte an ihrer Stelle die Weber Othmar Hausknecht und Daniel Haltmeyer für St. Laurenzen sowie Conrad Locher, Uhrmacher, für St. Mangen. Um den Urheber des Wachthaus-Brandes zu fassen, verfügte der Rat,  dass am Sonntag «durch öffentlichen Ruf in den Kirchen das obrigkeitliche höchste Missfallen bezeuget und demjenigen, der den Täter entdecken könnte, neben Versicherung der Verschwiegenheit 12 Reichstaler Recompens (Entschädigung) angeboten werden solle».

Ob der Täter ermittelt werden konnte, wissen wir nicht. Sicher ist hingegen, dass 1704 anstelle der abgebrannten Holzhütte ein neues Wachthaus in Stein aufgeführt wurde. Im Ratsprotokoll vom 16. Juni steht unter dem Traktandum «Bauamts-Sachen» betreffend «Wachthütte auf Schüberhüttli», man habe «die auf obrigkeitliche Verordnung gemachte Visierung in Augenschein genommen», worauf der Rat beschloss, dass eine Wachthütte aus Stein erbaut werden solle. Diese Hütte scheint bis 1844 auf der Bernegg gestanden zu sein und wurde damals «auf Abbruch» verkauft.

Die Hochwacht auf der Bernegg, Riethüsli-Magazin Dezember 2010