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23.06.2020

Negative Reaktionen aus dem Quartier sind nicht verstummt

Replik aus Sicht eines Riethüslers nach dem Interview mit Vertretern des Tiefbauamtes.

Fredi Hächler: Antwort auf den Homepage-Beitrag vom 19. 6.2020: „Sie werden die Verbesserungen bald spüren“

Auch wenn die Sanierung der Teufener Strasse im oberen Teil noch nicht ganz fertiggestellt ist (z.B. fehlende Markierungen), bleibt die Enttäuschung auch nach dem Interview mit den beiden Baufachleuten gross. Die erstaunlich einheitlich negativen Reaktionen auf die neue Situation der Teufener Strasse im Zentrum unseres Quartiers sind auch nach dem Erscheinen des Berichtes nicht verstummt, im Gegenteil, einige Ausführung der Fachleute rufen Kopfschütteln und Unverständnis hervor. Einige Aussagen (im folgenden Text kursiv markiert) sollen näher betrachtet werden.

„Dabei ist uns wichtig, dass der ÖV und Langsamverkehr im definitiven Betrieb – wie überall in der Stadt – priorisiert werden.“

Wir erleben offensichtlich gerade in unserem Quartier das Gegenteil. Dem Autoverkehr, also primär der Durchgangsstrasse ins Appenzellerland, wird eindeutig erste Priorität eingeräumt. Es ist eine breite Verkehrsschneise durch unser Quartier entstanden. Wohl 90% der über zehntausend Verkehrsteilnehmer fahren vernünftig und rücksichtsvoll täglich durch unser Wohnquartier. Aber mit den übrigen, oft drängelnden Pendlern hat wohl jeder der vielen Velofahrer aus dem Quartier schon unangenehme und gefährliche Situationen erlebt. Solche Erlebnisse zwingen uns Velofahrer, aus Selbstschutz manchmal kreative Lösungen zu suchen. Zwei Dinge musste man in den letzten Wochen feststellen: Der Planer für die provisorische Lösung ist kein Velofan. Zwar durfte der Velofahrer rund 50 Meter länger auf dem Trottoir fahren, musste dann aber beim Lichtsignal in der Hochwacht bei Grün auf die Strasse ausweichen und mit den drängelnden Autofahrern um einen Platz kämpfen. Nach dem Hochwachtkiosk kann man nach rechts auf den Rad-und Gehweg ausweichen, dabei muss man, ohne Möglichkeit auszuholen, eine bis 5 cm hohe Kante überwinden. Warum diese Kante?

„Das ist so, weil momentan noch der Deckbelag fehlt – da kommen noch 3 Zentimeter obendrauf. Damit wird die Kante nochmals reduziert. Ein Abschleifen ist nicht nötig.“

Die endgültige(!) bis 5 cm hohe Kante zur Hochwachtstrasse, die ohne Ausholmöglichkeit bei Verkehr sehr gefährlich ist und schon zu Unfällen geführt hat.

Das nächste Stück darf der Velofahrer mit den Fussgängern teilen. Aber für beide lauert bei der Einmündung der Solitüdenstrasse die nächste Gefahr.

„Eigentlich ist es klar geregelt: Die Trottoirüberfahrt signalisiert, „kein Vortritt“ für den Autofahrer. Der Langsamverkehr auf dem Geh- und Radweg hat klar Vortritt gegenüber dem Verkehr auf der Solitüdenstrasse.

Der Autofahrer muss etappenweise vorgehen, das heisst, zuerst Rücksicht nehmen auf den Langsamverkehr, und erst, wenn er freie Fahrt hat, kann er vorziehen und sich in den motorisierten Individualverkehr auf der Teufener Strasse einordnen. Damit der Autofahrer sieht, dass hier ein Radweg mit Vortritt verläuft, werden im Knotenbereich an der Solitüdenstrasse und den anderen Einmündungen Velopiktogramme aufgemalt.“

Die Realität heute: Der Autofahrer wartet vorne an der Solitüdenstrasse auf eine Lücke – mitten auf dem Rad- und Gehweg. Fotos: FH

Solche Situationen gab es an einem ‘normalen’ Nachmittag innerhalb weniger Minuten mehrmals, dazu bogen Autos von der Teufener Strasse in die Solitüdenstrasse ab. Fussgänger und Velos mussten warten oder sich zwischen den Autos durchschlängeln. Frage: Darf der Velofahrer auf der als Veloweg ausgeschilderte Strecke auch talwärts fahren?

Der auch hier 5 cm hohe Randstein bei der Solitüdenstrasse nach Eintrag des Deckbelags: eine Unfallquelle.

Nach dem höchsten Punkt des Velowegs wird der Fahrer wieder auf die Strasse geschickt. Wenn er möglichst ohne Gefahr diese Strecke bewältigen will, muss er eben einen möglichst kreativen Weg befahren, der hier nicht beschrieben werden soll. Tatsache aber ist, dass es schon während der Bauzeit zu Velounfällen gekommen ist und eine ‘kreative Lösung’ von der Polizei gebüsst wurde. Eine offizielle kreative Lösung wäre, dass der ‘Veloweg’ wie im unteren Abschnitt der Teufener Strasse Richtung Teufen weiter auf dem Trottoir (auch hier hat es Busstationen und Strasseneinmündungen) bis zur alten Post geführt würde. Dies wird schon jetzt ‘kreativ’ von Velofahren in beiden Richtungen öfters praktiziert.

Zu den beiden folgenden zwei Aussagen kann man sich selber eine Meinung bilden:

„Kollisionsgrün:  Ja, es ist auch hier eine Sache der Gewöhnung und der Instruktion, allenfalls durch den Quartierpolizisten. Es wäre sicher sinnvoll, wenn den Schülern solche Situationen erklärt werden könnten. Im Sinne von: Es ist normal, ihr dürft die Strasse überqueren, und der Autofahrer muss Rücksicht nehmen auf euch und solange warten.“

„Wenn der Autofahrer anhält, obwohl er Grün hat, ist das sehr freundlich, entspricht aber nicht dem Verkehrsrecht, er verhält sich zwar nett, aber unkorrekt.“

Dies ist zwar gut gemeint und korrekt formuliert, aber ob sich die ungeduldigen AR-Autofahrer vom Quartierpolizisten belehren lassen und sich die mehreren Dutzend Schulkinder viermal täglich immer brav und diszipliniert an den Ampeln verhalten, wird sich weisen.

Fazit: Unser Quartier bleibt zweigeteilt

Zurzeit ist die von der Stadt (trotz hochgelobter Partizipation ohne Mitsprache und Anhörung des Quartiers) geplante und ausgeführte Sanierung unbefriedigend. Diese ‘Schnellstrasse’ ins Appenzellerland trennt weiterhin das Quartier in zwei Teile. Auch das wenige Grün macht diesen Teil des Quartiers nicht wohnlicher. Zusammen mit dem Tunnelbau hatten wir eine fünfjährige Bauzeit, für die direkten Anwohner eine riesige Belastung und für die Bauarbeiter trotz dauerndem Verkehr eine grossartige Leistung. Selbstverständlich war auch die planerische Aufgabe eine grosse Herausforderung an die Stadt, die sich auch mit der Bahn und dem Kanton entsprechend absprechen musste.

„Mit der Neugestaltung wird die Barrierewirkung der Teufener Strasse abnehmen.“

Doch scheint es, dass es immer nur das primäre Ziel gewesen war, eine Strasse durch ein Quartier zu bauen, um möglichst schnell den unvermeidlichen Verkehr hindurchführen zu können. Es ist kein Ansatz zu erkennen, oder er wurde nie veröffentlicht, dass man auch andere Wege resp. Lösungen zusammen mit dem Kanton gesucht oder evaluiert hätte. Es müsste doch in der heutigen Zeit noch andere Ansätze geben, als auf mehr Verkehr mit noch mehr Strasse zu reagieren.

Es ist eine Strasse durch ein Wohnquartier. Warum wurde die vom Quartier gewünschte neue Passerelle nicht realisiert, wurde jemals über Tempo 30 nachgedacht, warum lässt die Dosieranlage so lange auf sich warten? Bei Gesprächen mit den Verantwortlichen hört man immer, die Teufener Strasse ist halt eine Kantonsstrasse, es gibt bestimmte Auflagen und Vorschriften.

Grundsätzlich ist einfach zu sagen, dass es bei den Randabschlüssen Normen gibt bezüglich behindertengerechtem Bauen.

Das mag ja alles zutreffen. Aber was man nicht findet, ist eine Idee oder nur schon der Ansatz einer Vision, wie man heute oder in der Zukunft eine solche Strasse durch ein Wohnquartier baut.

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3 Kommentare

  1. Benjamin Schlegel

    28.06.2020 / 20:11 Uhr

    Alle die sich über die schnellen Autos aufregen: Vor einigen Jahren - als ich noch im Riethüsli wohnte - habe ich an der HV einen Antrag gemacht, dass sie der Quartierverein für Tempo 30 auf der Teufenerstrasse im Zentrum einsetzen soll. Der Vorstand hat ihn zur Ablehnung empfohlen. Die HV hat ihn dann auch abgelehnt.

    Antworten

  2. Andreas Nef

    27.06.2020 / 15:15 Uhr

    Als Laie kann ich wirklich nur darüber staunen, was heutige Planer alles ausdenken:

    Kombinierte Rad- und Gehwege, und dann heute aus "Sicherheitsgründen" nicht mehr mit Linien getrennt.
    -> Solche Lösungen dürften nach mir heute nicht mehr neu geplant werden. Vor allem mit den aufkommenden E-Bikes sind Probleme vorprogrammiert, die Sicherheit sinkt. Zudem bevorzugen viele Velofahrer eine direkte Linie, ohne Absätze, Ein- und Ausfahrten.

    Bunte Mittel- / Mehrzweckstreifen - die verschmälern die Strasse optisch.
    -> Das dürfte dann sogleich auch der einzige "Nutzen" sein. Ansonsten steigern sie nur die Unsicherheit aller Parteien. Viel nützlicher wäre aus meiner Sicht, den Platz für genügend breite Velostreifen zu verwenden.

    Nischenhaltestellen für Busse werden reihenweise in Fahrbahnhaltestellen umgebaut.
    -> Das hält den Individualverkehr zurück inkl. jenen, die dem Bus bei der Wegfahrt manchmal den Vortritt verweigern. OK. Der Sicherheit dienen diese neuen Konzepte aber nicht. Der Bus in einer (genug breiten) Nische stehend ist für mich als Zu- und Weglaufender Passagier auf jeden Fall übersichtlicher in Bezug auf die Strassenquerung (man "sieht" besser um den haltenden Bus).

    Konkret zur Situation im Riethüsli:

    Die Einmündung der Solitüdenstrasse wäre deutlich sicherer und stressfreier, wenn die Veloführung auf markierter Spur innerhalb des Strassenraumes erfolgen würde. Hätte man die Baumreihe zudem in der Strassenmitte (echter Grünstreifen statt aufgemaltes Multifunktionsgelb) gepflanzt, müssten einbiegende Anwohner auch nicht mehr so weit ins Trottoir vorfahren. Und nicht mehr durch die Bäume hindurch auf eine Lücke im Verkehr warten.

    Das Einbiegen von St. Gallen her in Richtung Demutstrasse ist für Velofahrer deutlich einfacher und vor allem sicherer, wenn bereits beim Fussgängerstreifen auf Höhe Elektro Kundert eingespurt werden könnte. Die aktuelle Abfahrtsrampe vom Gehweg auf die Strasse ist ein völlig unnötiges Risiko. Sollte lieber heute als morgen aufgehoben werden.

    Über die angeblich "intensiven Abklärungen" zum Standort der Fussgängerstreifen kann ich mich einfach nur wundern. Der verschobene Fussgängerstreifen sollte möglichst wieder "zurück" auf Höhe Post (es wäre sowieso auch jetzt noch mehr als genug Strassenbreite verfügbar). Da könnte der Fussgängerstreifen auch problemlos technisch beidseitig mit einem Lichtsignal geregelt sein ohne Angewöhnung der (unaufmerksamen) Autofahrer aus der Stadtrichtung. Die Sichtweite ist und war da bei angemessener Fahrweise nie ein Prolbem. Weiter; die Bahnpendler hätten einen direkteren Weg (Schüler & Buspassagiere mit Ziel Richtung Elektro Kundert nutzen eher den neuen Fussgängerstreifen am Ort der früheren Passerelle). Zudem läge der Fussgängerstreifen bei der Post nicht mehr in einer Parkplatzausfahrt...

    Zur Neugestaltung allgemein:
    Den Verkehr kann man ohne Tunnel-Lösung nicht wegzaubern. Eine deutliche "Aufwertung wäre aber durchaus möglich gewesen. Begrünte Mittelstreifen mögen zwar heute bei den Planern "out" sein, sie tragen jedoch am meisten zu einer wohnlicheren Strassensituation bei. Eine Passerelle kostet ausserdem viel Geld. Sie wird jedoch von heutigen Planern vielfach klein geredet oder gar als unnötig angesehen. Für mich einfach eine unverständliche Haltung.

    Andreas Nef

    Ein "böser AR-Pendler"

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  3. Stefan Jud

    27.06.2020 / 12:19 Uhr

    Die Umbauten sind städteplanerisch eine absolute Frechheit.
    Für die Velofahrer wurde es einiges gefährlicher und umständlicher.
    Für die Fussgänger umständlicher mit der neuen Ampel mit Wartezeiten bis zu zwei Minuten und völlig unsinnig platziertem Fussgängerstreifen. (Wieso werden Fussgänger nicht priorisiert? Es muss immer jede Grünphase der Autos abgewartet werden. Sowas baut man heute eigentlich nicht mehr!?)
    Für Appenzellerbahn Fahrer ist der Fussgängerstreifen ein unverständlicher Umweg.

    ... aber die Autos haben es nun besser. Danke liebe Stadt St. Gallen, dass ihr keinen einzigen Verkehrsteilnehmer bis aufs Auto kennt. Der Umbau macht die Situation kein bisschen besser, sondern für fast alle schlechter.. bis aufs Auto.

    Stefan

    Antworten

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